Im ersten Post zu diesem Thema habe ich erläutert, warum ich die Entscheidung des AG Charlottenburg für falsch erachte. Bleibt zu schauen, welche verwertbare gerichtlichen Entscheidungen derzeit vorliegen.
Wann erfolgt der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems?
Das AG Offenbach hat in seiner Entscheidung vom 9. Oktober 2013 - 380 C 45/13 deutlich gemacht, dass weder das Gesetz noch die EU-Richtlinie hierzu Erläuterungen enthalten. Notwendig aber auch ausreichend sei es, dass der Unternehmer in personeller und sachlicher Hinsicht innerhalb seines Betriebes organisatorisch die Voraussetzungen dafür geschaffen habe, die notwendig seien, um regelmäßig im Fernabsatz Geschäfte zu tätigen. (AG Offenbach, Urteil vom 09. Oktober 2013 – 380 C 45/13 –, Rn. 40, juris). Nicht erforderlich sei es, dass der Unternehmer seine Dienstleistungen ausschließlich im Wege des Fernabsatzes vertreibe. Ausgehend hiervon wird ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem in Rechtsprechung und Literatur jedenfalls dann angenommen, wenn der Unternehmer sich Techniken der Fernkommunikation systematisch zunutze macht und die intendierten Geschäfte sich dem Gesamtbild nach als typische Distanzgeschäfte darstellen (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2011, 19564; MünchKomm, BGB, 6. Aufl. 2012, § 312 b Rn. 57 jew. m. w. N.; AG Offenbach, a.a.O., Rn. 41, juris). Wann aber ist dies der Fall?
Kommt es tatsächlich auf den Inhalt des Mandatsverhältnisses an?
Entscheidend ist, dass der Wortlaut des § 312c Abs. 1 BGB eindeutig auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellt. Auch das AG Offenbach fokussiert nunmehr, ähnlich dem AG Charlottenburg, den Inhalt des Mandatsverhältnisses und vermeidet daher m.E. eine klare Aussage zu der von ihm selbst aufgeworfenen Frage (s.o.). Im zu entscheidenden Fall hatte der Anwalt in einer Vielzahl von gleichgelagerten Fällen überregional geschädigte Anleger vertreten und Synergieeffekte nutzen können. Die anwaltliche Tätigkeit sei damit nicht in gleicher Weise individuell, wie dies im klassischen Geschäft der Fall sei.
Erneut stelle ich die Frage, ob es notwendig bzw. gar zulässig ist, auf die Art und Weise der Ausführung des Vertrags abzustellen. Das Gesetz stell eindeutig allein auf den Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrags ab. Wenn, wie hier, nun die Abwicklung des Vertrags in den Vordergrund rückt, erweist das Gericht dem Verbraucher einen Bärendienst und der Verbraucherschutz wird unnötig aufgeweicht. Wie soll der Verbraucher wissen, ob der Anwalt sich bei der Bearbeitung seines Mandats einer schematisierter Vorgehensweise bedient, ob er Synergieeffekte nutzt? Der Mandant kann diese Umstände, die regelmäßig Interna der Kanzlei betreffen, nicht kennen. Auch übersieht das Gericht, dass es, stellt man auf die Abwicklung des Vertrags ab, erforderlich ist, die Kanzleistruktur insgesamt zu betrachten. Soll der Vertrag mit dem Mandanten bereits dann der Fernabsatzrichtlinie unterfallen, wenn nur sein Mandat unter Nutzung des Organisationssystems bearbeitet wurde, oder erst dann, wenn sein Mandat einer Vielzahl von weiteren Mandaten der Kanzlei gleichgelagert ist. Dass die gesamte Kanzleistruktur auf dem in § 312c Abs. 1 BGB genannten System aufbaut, kann wohl selbst nach der Argumentation des AG Offenbach nicht erforderlich sein.
Entscheidende Frage nach der Struktur des Systems noch immer nicht beantwortet.
So bleiben wir m.E. auch mit der Entscheidung des AG Offenbach noch immer im unklaren bei der Beantwortung der Frage, wann bei Abschluss des Anwaltsvertrags ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem vorliegt, welches den Vertrag als Fernabsatzgeschäft charakterisiert.
Daher bleibt es dabei: To be continued…